Auf unserem Blog stellen wir euch regelmäßig leckere Rezepte vor: Comfort-Food-Nudeln und Marzipancupcakes zum Beispiel. Heute wollen wir uns aber mal nicht dem Kochen widmen, sondern dem, was danach kommt und uns eigentlich die meiste Freude bereitet – dem Essen!
Hand aufs Herz: Wann hast du dich das letzte Mal hingesetzt und einfach nur gegessen? Ohne dabei auf deinem Smartphone zu tippen oder halb die Fernsehnachrichten zu schauen? Wann konntest du dir zuletzt richtig Zeit nehmen, um deine Mahlzeit zu genießen? Die meisten von uns haben diesen Luxus höchstens am Wochenende. Werktags muss ein Brötchen auf die Hand als Frühstück reichen, das Mittagessen sollte in einer halben Stunde in der Kantine verdrückt werden. Oder die Kinder kommen hungrig aus der Schule und wollen jetzt sofort etwas haben – aber die kleine Tochter isst nur Nudeln ohne Sauce, der große Sohn mosert, wenn nicht genug Fleisch auf dem Teller ist, und der Ehemann ruft an, dass er jetzt doch eine halbe Stunde zu spät kommt. Oft schaufeln wir die Nahrung einfach nur in uns hinein, um satt zu werden und uns schnell der nächsten Aufgabe auf dem Tagesplan widmen zu können.
Gesunde Ernährung ist momentan ein Trendthema. Viele achten auf das, was sie essen, aber den wenigsten ist bewusst, dass es auch eine Rolle spielt, wie man isst.
Ich möchte dir eine kleine Übung vorstellen, die dir helfen kann, deine Nahrung mit mehr Achtsamkeit zu essen. Alles, was du dafür brauchst, sind ein paar Minuten Zeit und eine Rosine. Wenn du Rosinen nicht leiden kannst, tut es auch ein anderes Trockenobst, eine Beere oder eine einzelne Nuss. Wichtig ist, dass es etwas Kleines, Unscheinbares ist – Pralinen würden dich zu sehr von der Übung ablenken 😉
Nimm dir für diese Übung etwa zehn Minuten Zeit. Sorge dafür, dass du in dieser Zeitspanne nicht gestört wirst, auch nicht von deinem Handy. Setzte dich bequem, aber aufrecht hin. Zehn Minuten können sich sehr lang anfühlen, wenn man meditiert. Versuche wirklich, dir für jeden Schritt mindestens eine Minute Zeit zu nehmen.
- Lege die Rosine in deine Hand.
- Betrachte die Rosine, so als würdest du zum ersten Mal im Leben eine Rosine sehen. Welche Farbe hat sie? Wo sind Vertiefungen? Spiegelt sich das Licht irgendwo? Versuche wirklich, dieses Nahrungsmittel mit Neugier anzusehen.
- Berühre die Rosine mit einem Finger. Wie fühlt sich die Oberfläche an? Ist sie glatt, runzlig, klebrig? Gibt sie nach, wenn du auf sie drückst? Du kannst die Augen schließen, um diesen Teil der Übung intensiver zu erfahren.
- Führe die Hand mit der Rosine zu deiner Nase und schnuppere. Wonach riecht die Rosine? Beobachte, ob du jetzt schon Lust bekommst, sie zu essen. Du musst dich noch ein bisschen gedulden.
- Stecke die Rosine zwischen deine Lippen. Wie fühlt sich das an? Lasse sie nach einigen Momenten sanft in deinen Mund gleiten. Welche Bewegungen macht deine Zunge jetzt? Wie fühlt sich die Rosine in deinem Mund an?
- Beiße vorsichtig auf die Rosine. Wie verändert sich der Geschmack? Läuft Saft aus ihr heraus? Wie reagiert der Rest deines Körpers, dein Magen?
- Wahrscheinlich wirst du jetzt den Impuls spüren, die Rosine zu schlucken. Nimm diesen Impuls bewusst war und gib ihm nicht gleich nach. Dann schlucke die Rosine und beobachte, wie sie nach unten in deinen Magen wandert.
- Beobachte deine Gedanken. Wie hat es sich angefühlt, die Rosine so zu essen? Möchtest du am liebsten gleich noch eine essen? Wie bewertest du den Geschmack?
Zuerst mag es sich komisch anfühlen, etwas so Banales wie eine Rosine so „umständlich“ zu essen. Wahrscheinlich wirst du zwischendurch mit den Gedanken abdriften. Das ist ganz normal. Unser Kopf ist zum Denken gemacht. Es geht beim Meditieren nicht darum, das Denken komplett zu stoppen. Stattdessen üben wir, unsere Gedanken wahrzunehmen, ohne auf sie einzugehen. Wenn du also merkst, dass du mit dem Kopf ganz woanders bist, dann ärgere dich nicht darüber, sondern komme einfach zurück zu deiner Rosine.
Wenn du diese Übung hin und wieder durchführst, wirst du bemerken, dass du dein Essen mit anderen Augen betrachtest. Vielleicht stellt sich mit der Zeit eine gewisse Dankbarkeit ein für das, was du heute wieder auf dem Teller hast. Vielleicht beginnst du, dein Essen mehr zu genießen – selbst, wenn es nur eine kleine Rosine sein sollte.
Ich wünsche dir viel Erfolg mit der Übung und guten Appetit!
Susanne Halbeisen schreibt nicht nur Romane, sondern unterrichtet auch Meditation im Raum Wien. Auf ihrer Webseite und auf ihrer Facebookseite könnt ihr euch über ihr Angebot informieren.